unter Beobachtung

Ich bin in einem religiösen Elternhaus aufgewachsen. In meiner Kindheit und Jugend musste ich sonntags sehr oft in die Kirche, obwohl es mir nicht gefiel. Auch als ich schon durch Kneipen gezogen bin, wurde ich sonntagmorgens noch aufgeweckt.
In der Kirche hatte ich als Kind oft ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht so recht glaubte, was ich hörte. Manchmal stellte ich mir vor, dass – falls es doch stimmen sollte – Gott meinen Unglauben und meine Langeweile sieht und ich deswegen in die Hölle komme. Dann versuchte ich, mich anzustrengen.
Heute bin ich erwachsen und komme selten in die Verlegenheit, in die Kirche zu müssen. Wenn das doch mal der Fall ist, fange ich beim Singen von Kirchenliedern an zu heulen.
Es ist noch nicht lange her, da habe ich mich selber in so eine Situation gebracht. Ein guter Freund hat in der Kirche gesungen. Er hat es mir vorher gesagt. Ich wollte ihn hören, ich war innerlich zerrissen, habe in der Nacht davor sehr schlecht geschlafen. Die Freundschaft hat die Berührungsangst überwogen.
Wir sind in Zeiten der Pandemie. Es ist nicht leicht, sich unter der Maske die Nase zu putzen.