Die Roma

Ich studiere Soziale Arbeit und mir ist es sehr wichtig, mit den Betroffenen auf Augenhöhe zu arbeiten. Meiner Berührungsangst gegenüber Armut, Bettler*innen und Obdachlosigkeit wollte ich begegnen. Noch bevor ich mich über Medien über das Thema informierte,  lernte ich Francesca kennen, eine Roma die mich um Geld bat. Da Francesca und ich fliessend italienisch sprechen ist die Sprache glücklicherweise keine Barriere. Zu Beginn war das gegenseitige Misstrauen gross. Mir fiel es schwer, ihre Geschichten zu glauben. Gutscheine für die Gassenküche wollte sie nicht, das Essen sei kein Problem, sagt sie. Sie brauche Geld für die Operationen ihrer beiden kleinen Söhne oder einen Coronatest um ihren Flug nehmen zu dürfen. Oder sie fragte nach Jacke und Schuhe, mein Angebot ihr alte von mir zu geben nahm sie aber nicht an.

Da ich aber ihre Situation und ihre Kultur überhaupt nicht kenne und sie am besten weiss, was sie braucht und ich vor allem nicht über sie bestimmen möchte, versuchte ich, sie ernst zu nehmen. So wollte ich mich um den Coronatest kümmern, habe einen Termin in der Apotheke gemacht inklusive Übernahme der Kosten und erwartete sie vor Ort. Leider tauchte sie nicht auf. Ich wollte ihr auch ein kleines Plüschtier für ihre Söhne schenken.

Manchmal erkennt sie mich nicht auf der Strasse und jedesmal hat sie das Ziel, möglichst viel Geld von mir zu bekommen, hierfür wurde sie auch schon richtig laut, lehnte das Gespräch ab und wollte einfach nur Moneten. Sie rief mich auch schon an um mich irgendwo hin zu bestellen weil sie dringend Geld brauche. Ein bisschen nehme ich es persönlich, dass sie ständig versucht mich auszunutzen. Für sie bin ich, und das leuchtet mir auch ein, einfach nur irgendeine Person wie viele andere, die sie anquatscht. Ich finde es schade, dass es anscheinend nicht möglich ist, eine andere Beziehung zu ihr aufzubauen, ich wünschte, sie könnte Vertrauen zu mir fassen und ehrlich erzählen, was sie erlebt. Gleichzeitig habe ich Verständnis für ihre Situation, dass sie eben Geld braucht und dass dies ihr Weg dazu ist. Und selbstverständlich ist sie frei zu entscheiden, ob sie mich kennenlernen möchte oder nicht.

Ich finds spannend mich mit dem Thema der benachteiligten Romas auseinanderzusetzen. Der Begegnung mit Francesca bleibt ein bitterer Nachgeschmack, weil ich ihr noch immer nicht Glauben schenken kann.