Lepra

Höhere Kasten nehmen nichts von den sogenannten “untouchables” an, wie beispielsweise ein Glas Wasser. Zu den untouchables gehören allen voran Leprakranke.

In Basel machte ich eine Ausbildung zum Pflegefachmann, heute bin ich aber nur noch etwa alle 2- 3 Jahre kurz in Europa, denn vor 28 Jahren zog es mich nach Nepal. Ich lernte Asien auf Reisen kennen und sah neben vielem, was mich an der Kultur reizt, auch die miserable gesundheitliche Vorsorge. Ich wollte und will noch immer meine medizinischen und menschlichen Skills nutzen, um zu helfen. Ich engagiere mich hauptsächlich in einer NGO, welche Menschen mit einer Behinderung medizinische sowie seelische Unterstützung bietet. Im Fokus stehen an Lepra erkrankten Menschen.

Mein grosses Vorbild ist Jesus, der ohne Berührungsängste auf Leidende zuging, sie erst heilte und auch erlaubte, in die Gesellschaft zurückzukehren. Meine Arbeiten sind ehrenamtlich, meine Kosten von ca. CHF 500 pro Monat werden durch Freunde gedeckt.

Inspiriert bin ich auch von “L’Arche”, das sind Communities, wo Menschen ohne und Menschen mit Behinderung gemeinsam unter einem Dach leben. Jeder Mensch ist wertvoll und bringt seine eigenen Qualitäten!

In der Öffentlichkeit werden in Asien wenig physische Berührungen ausgetauscht. Gegrüsst wird kontaktlos, Umarmungen und Zärtlichkeiten finden im Privaten statt. Dennoch empfinde ich Asien als sehr herzlich, Berührungen werden stark über die Sprache ausgetauscht. im Vergleich ist die Soziale Armut in der Schweiz riesig.

Es gibt verschiedene Arten von Lepra und ich verwende der Einfachheithalber eine etwas ungenaue Laiensprache:

Bei Lepra, auch Aussatz genannt, handelt es sich um eine bakterielle Infektionskrankheit welche die Nerven angreift. Die Krankheit beginnt oft an Händen und Füssen, das Empfinden verschwindet. Dies führt zu Verletzungen und über Infektionen zum Verlust der Finger und Zehen, und kann auch den restlichen Körper angreifen. Die Bakterien werden über Tröpfchen übertragen, wobei die Infektionsrate nicht sehr hoch ist. Wird eine Infektion früh erkannt, beispielsweise über helle und gefühlstaube Stellen auf der Haut, kann sie durch Medikamenteneinnahme über 6 – 12 Monate gestoppt werden. Betroffen können Menschen jeglichen Alters sein.

Erkrankte werden in vielen Teilen Asiens schwer benachteiligt. Der Glaube an Karma besagt, dass Lepra als Fluch einer Missetat aus dem vorherigen Leben stammt. Sie gelten als unrein, werden verstossen und als “untouchables” bezeichnet. Nicht selten werden Betroffene, auch Kinder!, im Wald ausgesetzt und alleine gelassen. Oft verstecken sich Infizierte aus Scham und Angst, Vereinsamung und Nichtbehandlung als Folge.

In den übers Land verteilte Spitäler der NGOs werden Erkrankte gepflegt, operiert und versorgt, zudem laufen Aufklärungskampagnen über die Symptome und Behandlung. Es gibt auch ambulante Behandlungen und diverse health posts, wo Informationen und Medizin abgegeben wird. Die Medikamente werden kostenlos abgegeben. 

Die Zahlen der Erkrankungen sind weltweit grundsätzlich rückläufig, in manchen Gebieten hat die WHO die Eliminierung von Lepra verkündet, was zur Streichung der Hilfsgelder führte, Gelder die nun fehlen um die Langzeitfolgen bzw. die durch Lepra behinderten Menschen zu unterstützen.

Nebst dem vielen Leid, das ich sehe, ist meine Arbeit auch geprägt von schönen Erlebnissen. Ich sehe Menschen, die geheilt werden, Menschen die sich wieder in die Gesellschaft eingliedern können, ein eigenes Business starten, heiraten und gesunde Kinder kriegen. Prägend war ein Junge, welcher im Wald ausgesetzt wurde und von uns behandelt wurde. Mehrere Jahre waren vergangen, seit er das letzte mal von einem anderen Menschen berührt wurde. Das war ein besonderer Moment, nicht nur wegen der physischen Berührung sondern auch das Wissen, dass andere keine Angst haben, ihm Nahe zu sein.

Obschon viele Betroffene noch immer in katastrophalen Situationen sind, wächst doch die Zahl an Menschen, die in ein glückliches Leben führen können. Früher wurden Lepraerkrankte in Kolonien ausserhalb der Städte verbannt, auch in Europa.

Heute habe ich eigentlich keine Berührungsängste mehr, ausser vielleicht mit der Business-Welt, das ist gar nicht meins. Beim Einleben in Asien oder bei der ersten Berührung mit einem HIV Infizierten vor gut 30 Jahren brauchte ich eine Gewöhnungszeit, durch die aktive Begegnung kann ich Berührungsängste abbauen. Wichtig ist aber, dass man eine Offenheit dafür hat, verschlossene Menschen können ihre Ängste wohl kaum abbauen. Um Berührungsängste abzubauen, hilft es seine Trigger, also die Momente und Situationen, welche eine Angst auslösen, zu kennen. Denn dann kann man eine Strategie entwickeln und reflektieren, ob die Angst begründet ist. In den allermeisten Fällen ist sie es nicht!

Um nochmal auf das Wertvolle jedes Menschen zurückzukommen eine kleine Geschichte: Als ich vor wenigen Tagen eine Operation, welche ich mich unterziehen muss, besprochen habe, ging ich niedergeschlagen durch die Stadt. Ein Junge mit Trisomie 21 kam mir entgegen, grinste mich mit einem breiten, strahlenden Lächeln an, zeigte Daumen hoch und sagte “Don’t worry!” und ging weiter. Diese Begegnung war sehr schön.